Veräußerung des Patientenstamms
Ein Sackhüpfen im Minenfeld
Schlaflose Nächte dürfte ein BGH-Urteil Praxisverkäufern bereiten, die auf althergebrachte Art und Weise im Rahmen des materiellen Praxisverkaufs auch den immateriellen Wert (sogenannter Goodwill), sprich den Patientenstamm veräußern. Der Bundesgerichtshof hat dazu unter Berücksichtigung des Arztrechts, des Korruptionsstrafrechts und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine klare Position bezogen (AZ.: VIII ZR 362/19).
Im vorliegenden Fall ging es um den Verkauf des privatzahnärztlichen und vertragszahnärztlichen Patientenstamms zwischen zwei Zahnärzten. Vereinbart war, dass Telefonanrufe und Aufrufe der Internetseite des Verkäufers auf die Käuferseite umzuleiten seien. Zudem sah der Vertrag vor, dass die Kartei des Patientenstamms vollständig an den Käufer übergeht, sofern vom Patienten eine schriftliche Einwilligungserklärung vorläge. Darüber hinaus sollten die Patientenakten durch den Praxiskäufer in Verwahrung genommen werden.
Last but not least sollte der Praxisverkäufer mittels eines Rundschreibens an seine Patienten diese vom Verkauf informieren, verbunden mit einer Empfehlung, dem Käufer ihr Vertrauen zu schenken und gegebenenfalls die Behandlung bei ihm doch fortzusetzen. Theoretisch ist dies für das Praxismarketing von hohem Wert.
Der Verkäufer hielt sich nicht an diese Vereinbarungen. Es kam zur Klage. Das Verfahren rollte durch alle Instanzen bis zum BGH.
Die Vorinstanz hatte entschieden, dass der Vertrag gegen das Korruptionsstrafrecht verstoße. Damit beschäftigt sich der BGH nicht. Er griff auf das geltende Arztrecht zurück, das die Zuweisung von Patienten gegen Entgelt verbietet. In Zukunft wird es also wohl nicht mehr möglich sein, den Patientenstamm isoliert zu verkaufen. Als erschwerend für den Käufer und den Verkäufer wertete der BGH den Rundbrief des Verkäufers mit der Bitte an die Patienten, dem Käufer ihr Vertrauen zu schenken. Der BGH wertete dies als unzulässige Werbemaßnahme.
Dieser Sachverhalt im Zusammenhang mit der Veräußerung des Patientenstamms gegen Entgelt macht nach Ansicht des BGH den kompletten Kaufvertrag unwirksam.
Das Urteil wird in der Fachpresse unterschiedlich interpretiert. Eine Interpretation sieht keine zukünftigen Schwierigkeiten bei der Veräußerung des immateriellen Werts „Patientenstamm“, eine andere Interpretation stellt dies sehr wohl als rechtsprechungswidrig dar. Es bleibt also abzuwarten, wie in Zukunft die Gerichte mit diesem BGH-Urteil umgehen.
Als „Nebenkriegsschauplatz“ stellte die Presse in diesem Verfahren das seit Jahren praktizierte 2-Schrankmodell dar. Der BGH stellte im gerichtlichen Verfahren auch das wegen Bedenken des Verstoßes gegen die DSGVO in Frage.
Meinung der Redaktion: Es wird ungemütlich. Ohne fundierten rechtlichen „Begleitschutz“ sollte eine Praxisveräußerung unter keinen Umständen mehr vorgenommen werden.