Urteil zu gekauften Ärzte-Siegeln
Diese sind laut Urteil wettbewerbswidrig
Beobachter der medizinrechtlichen Szene wunderten sich, dass es so lange gedauert hat, bis die Causa „gekaufte Ärzte-Siegel“ vor Gericht landete. So hat die 4. Kammer für Handelssachen am Landgericht München I der Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale hinsichtlich der Verleihung und Publizierung sogenannter Ärztesiegel gegen den Focus-Verlag stattgegeben (AZ.: 4 HKO 14545/21). Nun, vielleicht laufen die Mühlen der Rechtsprechung auch nur langsam.
Die Wettbewerbszentrale beanstandete, dass der Focus-Verlag gegen Entgelt an Ärzte und Zahnärzte sogenannte Siegel verleiht, die sie als „Top-Mediziner“ oder „Focus-Empfehlung“ ausweisen. Zum Hintergrund: einmal im Jahr erscheint das Magazin „Focus Gesundheit“ unter dem Titel „Ärzteliste“. Gegen eine zu bezahlende Lizenzgebühr von rund 2000€ erhalten Zahnärzte und Ärzte ein sogenanntes Siegel unter der Rubrik „Focus Empfehlung“, das sie beispielsweise auf ihrer Homepage werbend nutzen können, was für das Praxismarketing einen nicht unerheblichen Faktor darstellt. Der Focus Verlag, so die Wettbewerbszentrale, verstoße durch die Vergabe der Siegel gegen das lauterkeitsrechtrechtliche Irreführungsverbot.
Nach Ansicht der Wettbewerbszentrale wird bei den angesprochenen Verkehrskreisen (hiermit sind Patienten gemeint, Anm. der Redaktion) der Eindruck erweckt, dass die betreffenden („angepriesenen“) Ärzte durch eine neutrale und sachgerechte Prüfung eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplinen einnehmen würden. Dies sei jedoch nicht der Fall.
Die 4. Kammer für Handelssachen am Landgericht vertritt gleichermaßen die Ansicht, dass die angesprochenen Verkehrskreise die lizensierten Siegel ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest erkennen und davon ausgehen, dass diese aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung vergeben worden seien. Dies habe, so die Kammer, eine erhebliche Bedeutung für die Entscheidung des Verbrauchers, in diesem Falle also des Patienten.
Der Focus-Verlag hatte ausgeführt, die Lizenzierung „Siegel“ sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Der Vortrag der Medien, sie seien auf die Finanzierung durch Anzeigen angewiesen, erkannte die Kammer in diesem Fall nicht an. Im Verfahren sprach man von einem „Wildwuchs“, der vor etwa 10 Jahren eingetreten sei. Rechtskräftig ist das Urteil bis dato nicht.